16 Grüner Kreisverband

Kreisgrüne im Aufbruch

Erstes Treffen der Basis nach Wahlsieg

Autor: HELGE THIELE | NWZ 16.04.2011

Auf die Grünen im Kreis wartet in den kommenden Wochen viel Arbeit. Das hat die erste Mitgliederversammlung nach dem Sieg bei der Landtagswahl deutlich gemacht. In die Euphorie mischte sich auch Skepsis.

Kreis Göppingen. Holger Haas aus Eislingen sprach von „einer echten Herausforderung“, Walter Bader aus Gammelshausen meinte: „Es wird sicherlich auch Enttäuschungen und Verlierer geben.“ Nachdenkliche Stimmen wie diese änderten nichts an der guten, fast gelösten Stimmung, die bei der ersten Mitgliederversammlung der Kreisgrünen nach dem historischen Sieg bei der Landtagswahl herrschte. An die neue Rolle als Regierungspartei müssen sich aber auch die Grünen im Landkreis erst gewöhnen. Das Treffen der Basis sollte zunächst in einer Gaststätte stattfinden. Aus Sorge, dass der Platz dort nicht ausreichen könnte, wurde die Versammlung kurzfristig in den Schulersaal der Göppinger Stadthalle verlegt. Und auch an der gastronomischen Versorgung muss der Kreisverband noch arbeiten: „Es gibt Getränke, aber ihr müsst aus der Flasche trinken“, meinte der Kreisvorsitzende Walter Kißling.

Die Aufbruchstimmung war am Donnerstagabend fast mit den Händen zu greifen. Doch es fiel auf: Auf die leichte Schulter nehmen die Grünen ihren Wahlsieg nicht. Das liegt nicht nur an den zunehmend schwierigen Koalitionsverhandlungen mit dem Juniorpartner SPD. Auch das Verständnis vor Ort müsse sich wandeln, Strukturen verändert, neue Ortsverbände gegründet werden. „Wir werden mehr Kontakte pflegen, mehr präsent sein und das Ohr an den Menschen haben müssen“, meinte Kißling. Die Grünen müssten solide wirtschaften, „sonst haut uns die Opposition in die Pfanne“. Ein Verzicht auf Kita-Gebühren hält Kißling deshalb für „nicht finanzierbar“.

Der Kreisvorsitzende erteilte der „von oben nach unten gerichteten Politik“ der bisherigen Landesregierung eine klare Absage. Bei den Grünen werde dies umgekehrt funktionieren – von unten nach oben.

Manfred Binder, Politikwissenschaftler und engagiertes Mitglied der Kreisgrünen, erläuterte im ersten Teil der Versammlung die Ergebnisse vom 27. März in den Wahlkreisen Göppingen und Geislingen. Die Nuklear-Katastrophe, so Binder, sei nur noch „der Kick“ gewesen dafür, dass es die Grünen wirklich schafften. Die wesentliche Entwicklung zugunsten der Grünen hätte viel früher begonnen, nämlich mit der Enttäuschung der Menschen über die „matte Vorstellung der Bundesregierung“ nach der Bundestagswahl.

Einige der rund 40 Besucher in der Stadthalle, die bisher kein Parteibuch der Grünen besitzen, sie aber im Wahlkampf unterstützt und gewählt haben, machten deutlich, dass sie von der Partei nun auch eine ganze Menge erwarteten.

„Die Freude am Wahlabend war groß, aber jetzt fängt die Arbeit für uns erst an“, meinte ein Mitglied. Von der „Bündelung von Energien“ war am Donnerstag genauso die Rede wie von der notwendigen Bildung verschiedener Netzwerke – vor allem die Verbindung zwischen Kommunal- und Landespolitik sei wichtig. Auf Kreisebene sollen Arbeitsgruppen gebildet werden, damit es für verschiedene Themen kompetente Ansprechpartner vor Ort gibt. Die Zahl von gerade 142 Parteimitgliedern erleichtere diese Aufgabe nicht, betonte Kißling. „Jetzt müssen wir auf die Leute zugehen. Jetzt ist es an der Zeit, neue Mitglieder zu werben“, meinte der Kreisvorsitzende.

Der frisch gebackene Göppinger Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz sucht derzeit ein Wahlkreisbüro und schlug vor, sich die Räume mit dem Kreisverband zu teilen. Auch für Fritz steht fest: „Wir haben eine Wahl gewonnen, aber wir haben noch nichts erreicht. Wir haben von den Menschen einen riesigen Vertrauensvorschuss bekommen. Dieses Vertrauen müssen wir uns nun erarbeiten.“

Bernhard Lehle, der das Landtagsmandat im Wahlkreis Geislingen um 420 Stimmen verfehlte, verglich seine Gefühle am Wahlabend mit jenen, die er einst bei der Geburt seiner Tochter empfunden habe: „Man kann vorher viel reden, aber ab einem bestimmten Moment übernimmt man Verantwortung.“ Dieser Verantwortung wollen die Kreisgrünen gerecht werden, auch wenn sie wissen: Aller Anfang ist schwer.

 

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