29 Jebenhausen: Umgehungsstraße

Ortsumgehung vom Tisch?

Grüne wollen Straßenprojekt in Jebenhausen beerdigen – OB Till ist empört

Autor: HELGE THIELE | NWZ 29.04.2011

„Die Ortsumgehung Jebenhausen ist vom Tisch.“ Das erklärte gestern der neue Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz (Grüne). Der Politiker verweist auf den Koalitionsvertrag der künftigen Landesregierung.

Göppingen. Der Koalitionsvertrag der neuen grün-roten Landesregierung steht – und die seit Jahren geplante Umgehungsstraße für Jebenhausen droht zu kippen. Der am 27. März gewählte Göppinger Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz (Grüne) sagte gestern im Gespräch mit der NWZ: „Die Ortsumfahrung ist vom Tisch.“ Fritz ist sich seiner Sache sicher und verweist auf die klare Vereinbarung zwischen den künftigen Regierungspartnern. Nur noch begonnene Straßenprojekte werden demnach abgeschlossen. Finanzmittel für neue Straßen werde es nur noch sporadisch geben, kündigte Fritz an. Stattdessen soll ab 2012 mehr Geld für die Sanierung bestehender Straßen ausgegeben werden; außerdem soll künftig der Schienen- und Radverkehr stärker als bisher gefördert werden. Das komme auch dem Landkreis Göppingen zugute, argumentiert Fritz. Denn durch den Regierungswechsel gebe es jetzt die Möglichkeit, Mittel für die S-Bahn in den Kreis zu lenken. Fritz: „Das war und ist mein Herzensanliegen für die Entwicklung dieses Landkreises. Wenn man bedenkt, welchen Aufschwung die S-Bahn in anderen Landkreisen ausgelöst hat, ist das für den Kreis Göppingen sicher wichtiger als eine Umgehungsstraße in Jebenhausen.“

Im Göppinger Rathaus stießen die Worten des Grünen-Politikers auf eine Mischung aus Verwunderung und Empörung. „Das kann man eigentlich gar nicht kommentieren“, meinte Oberbürgermeister Guido Till gestern auf Anfrage. „Wir sind mitten im Planfeststellungsverfahren. Das Verfahren abzubrechen, könnte man der Bevölkerung nicht vermitteln“, betonte Till. Er appellierte an Fritz und die künftige Landesregierung, „die Kirche im Dorf zu lassen“. Die Mehrheit der Bürger in Jebenhausen wünsche sich die Umfahrung seit vielen Jahren, die Verkehrsbelastung in der Ortsdurchfahrt habe mit 26 000 Fahrzeugen pro Tag ein unerträgliches Maß erreicht, so Till. Die Umgehung biete dem Stadtbezirk zudem die „Riesenchance, seinen Dorfkern qualitätsvoll zu entwickeln“. Der Rathauschef erwartet, dass die Planfeststellung fortgesetzt wird und sagt: „Ich freue mich auf den Tag, an dem die neue Straße eingeweiht wird.“ Käme es anders, was sich Till „nicht vorstellen“ kann, würde sich der Göppinger Oberbürgermeister „an die Spitze eines Protestzugs setzen, der nach Stuttgart fährt“.

Doch auch für den Göppinger CDU-Stadtrat Jan Tielesch steht nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags fest: „Die geplante Ortsumfahrung von Jebenhausen und die Umfahrung von Bezgenriet haben keine Chance auf Realisierung. Damit werden die Einwohner weiterhin in Lärm und Gestank versinken. Die Weiterentwicklung der Orte und die Schaffung lebendiger Ortskerne stehen auf der Kippe.“ Das müssten Grüne und SPD jetzt den Menschen erklären. Tielesch: „Man darf gespannt sein.“

Jörg Matthias Fritz, ein enger Weggefährte des designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, sind die Belastungen der Jebenhäuser Bürger nicht egal – im Gegenteil. Doch schon im Landtagswahlkampf und davor hatte der Vorsitzende der Göppinger Grünen sich klar gegen die geplante Ortsumgehung ausgesprochen. Fritz will den Verkehr, der Tag für Tag durch Jebenhausen in Richtung Autobahn und in umgekehrte Richtung rollt, mit anderen Mitteln eindämmen. Der neue Abgeordnete will dem Lkw-Mautausweichverkehr auf der L 1214 von Göppingen nach Bad Boll und weiter zur A 8 sowie auf der B 297 den Kampf ansagen.

Für Jebenhausen will Fritz „alle rechtlichen Möglichkeiten“ ausschöpfen, um den Verkehr im Ort einzudämmen. Dazu gehörten auch Durchfahrtverbote für Lastwagen. „Das wird eines der ersten Themen sein, die ich mit dem neuen Verkehrsminister besprechen werde“, kündigte Fritz an.

Der Göppinger SPD-Landtagsabgeordnete Peter Hofelich, der sich zurzeit in Südfrankreich aufhält, interpretiert den Koalitionsvertrag anders als Fritz. Der Vertrag stehe dem Bau neuer Straßen nicht generell entgegen, sagte Hofelich auf Anfrage. „Wir von der SPD wollen auch in Zukunft sinnvolle Neubaumaßnahmen verwirklichen“, so der Politiker. Eine Realisierung hänge natürlich immer auch von den Finanzen ab. Die Ortsumfahrung in Jebenhausen ist für Hofelich auf jeden Fall eine sinnvolle Maßnahme, für die er sich weiterhin einsetze. Hofelich: „Ich werde mich der Diskussion mit dem Koalitionspartner stellen.“

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Das fängt ja gut an

KOMMENTAR ORTSUMGEHUNG

Autor: HELGE THIELE | NWZ 29.04.2011

Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag von Grün-Rot ist noch nicht richtig trocken, da verkündet der neue Göppinger Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz schon das Aus für den Bau der Ortsumgehung in Jebenhausen. Keine neuen Straßen, laute die Marschrichtung der künftigen Landesregierung. Basta. Das fängt ja gut an.

Im Frühjahr hatte endlich das Planfeststellungsverfahren für die Umgehung begonnen. Die seit Jahren vom Durchgangsverkehr stark belasteten Bürger sahen Licht am Ende des Tunnels. Entsprechend säuerlich reagierte gestern Oberbürgermeister Guido Till auf die Ankündigung des Grünen-Politikers. Der Göppinger Rathauschef ist nicht nur ein klarer Befürworter der Ortsumfahrung. Er stößt sich vor allem daran, dass sich Fritz noch vor der Konstituierung des neuen Landtags und vor der Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten derart weit aus dem Fenster lehnt.

Auch der Koalitionspartner ist irritiert: Der Göppinger SPD-Abgeordnete Peter Hofelich will sich weiter für das Projekt einsetzen. Hofelich sieht die von Grün-Rot vereinbarte Priorität für die Straßensanierung nicht als generelles Nein zum Bau neuer Straßen.

Es ist auch nicht nur der Lkw-Verkehr, der Jebenhausen so zusetzt – es ist der Gesamtverkehr. Ein Durchfahrtsverbot für überregionale Lastwagen, wie es Fritz anstrebt, mag ein erster Schritt sein. Als Ersatz für die seit langem geplante Umgehung taugt die Maßnahme aber kaum.

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