30.04.11 Sarrazin (Mutlu)

Leserbrief vom Geislinger GAL-Gemeinderat Ismail Mutlu vom 30. April 2011 (erschienen am 03. Mai 2011)

Keine waschechten Sozialdemokraten mehr

Zum Nicht-Ausschluss Thilo Sarrazins aus der SPD

Die SPD hat angesichts der jüngsten und fulminanten Wahlgewinne der rechtspopulistischen Parteien in den europäischen Nachbarstaaten kalte Füße bekommen und Herrn Sarrazin nun doch nicht aus der Partei geworfen.

Nun also erklärt Herr Sarrazin: "Mir lag es fern, in meinem Buch Gruppen, insbesondere Migranten, zu diskriminieren." Wenn er also behauptet hat, dass bestimmte Immigrantengruppen genetisch weniger intelligent seien und daher ihr überdurchschnittliches Wachstum dazu beitrage, dass Deutschland insgesamt dümmer werde, war dies für Sarrazin und ist dies für die SPD weder eine Beleidigung noch Rassismus, auch keine Diskriminierung?

Hätte er nicht nur, wie er es in Interviews getan hat, unsere türkischen und arabischen, sondern auch unsere deutschen Gemüsehändler und Ladenbesitzer als weitgehend nutzlose Menschen dargestellt, weil diese in seinen Augen keinem sonderlich produktiven Gewerbe nachgehen, hätte die SPD dies dann auch als sozialdemokratische Äußerung aufgefasst, da Sarrazin ja angeblich nicht diskriminiert, also die Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gleich sieht?

Die SPD war einmal die Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch die Partei der Einwanderinnen und Einwanderer. Sie hat systematisch beide Gruppen verprellt. Sie steht heute in Gefahr, die Partei einer Elite zu werden, die ihre eigenen Eltern, die noch als Putzfrauen und Fabrikarbeiter die Familie ernährt haben, verleugnet.

Diese Elite glaubt nicht mehr daran, dass Jugendliche aus wirtschaftlich prekären Familienverhältnissen eine Zukunft haben. Deshalb fordert ihr Sprecher Sarrazin, den Nachwuchs der heute Erfolgreichen zu fördern und zu vermehren, statt die Chancen der heute noch weniger Erfolgreichen und ihrer Kinder zu erhöhen. Eine Sozialdemokratie, die sich von Derartigem nicht distanziert, brauchen wir nicht. Unser Land braucht waschechte Sozialdemokraten.

Herr Sarrazin hat den stärksten Gegenwind bekommen, als er von einem angeblichen jüdischen Gen gesprochen hat. Zum Glück gibt es also in der deutschen Öffentlichkeit wenigstens noch ein Tabu gegen Rassismus, das Tabu gegen Antisemitismus, weil wir Deutsche Millionen Juden mitsamt ihren Kindern in den Gaskammern und bei medizinischen Experimenten ermordet haben. Ansonsten aber ist die rassistische Immigrantenbeleidigung – insbesondere gegen Türken und Araber – in Deutschland mittlerweile ein Volkssport geworden.

Schade, dass die SPD dafür den Sportplatz stellt.

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