12.01.12 UAG frühkindliche

LAG Bildung – UnterAG frühkindliche: Bericht vom 28. 1. 2012

von Walter Kißling

Dualorientierte Ausbildung von ErzieherInnen

Die AG befasst sich seit längerem mit der neu konzipierten „dualorientierten Ausbildung“ von ErzieherInnen. Sie sollen eine monatlich Vergütung von brutto ca 700 € erhalten, stehen dafür in einem Arbeitsverhältnis mit dem Träger und werden als Fachkräfte anteilig nach dem Fachkräfteschlüssel eingesetzt. Die bisherige zweijährige Schulzeit mit einem folgenden Anerkennungsjahr wird verändert in drei Jahre Schulzeit mit einem wöchentlich auf 20 Stunden reduzierten Unterricht und erweiterter Praxiszeit. Das Modell mit dem Ziel, neue Personenkreise für den Erzieherberuf zu gewinnen, ist in Deutschland einzigartig. Zwei Fachschulen in Baden-Württemberg (Pforzheim und Ravensburg) sollen im nächsten Schuljahr beginnen. Andere bemühen sich nun schnell um eine Zulassung.

Grundsätzlich begrüßt die UAG „Frühkindliche Bildung“, dass den angehenden ErzieherInnen in der Ausbildung, wie z. B. den Azubis in der Verwaltung, eine Vergütung gewährt wird. Dies erleichtert vielen, sich für den Erzieherberuf zu entscheiden, macht sie unabhängiger und entlastet besonders die SchülerInnen aus sozial schwachen Familien davor, nebenher noch Geld verdienen zu müssen.

Auch das Anliegen, neue Interessentengruppen, insbesondere Menschen mit größerer Lebenserfahrung, für den Beruf zu gewinnen und eine bessere Praxisorientierung der Ausbildung zu entwickeln ist unbedingt zu unterstützen

Es gibt aber bisher noch viele Unklarheiten und wesentlichen Verbesserungsbedarf

  1. Tatsächlich auch neue Personengruppen gewinnen
    Bisher gibt es keine Regelung, die die Zugangsvoraussetzungen steuert. Schülerinnen, welche das 1. Jahr im regulären Ausbildungsgang die Fachschule besucht haben, können danach in die dualorientierte (bzw. praxisintegrierte) Ausbildung wechseln, sofern sie mit einem Ausbildungsbetrieb einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Um zu verhindern, dass es lediglich eine Umverteilung von einem zum anderen Ausbildungsgang gibt, sollten die Eingangsvoraussetzungen genauer festgelegt werden (Alter, Berufsausbildung oder Erziehungserfahrung).
  2. Qualifizierung Leiterinnen/Anleiterinnen, Theorie-Praxis-Verschränkung
    Es wäre schön, wenn durch das duale Modell „eine noch engere Verknüpfung von schulischen und praktischen Ausbildungsphasen“ (KuMi) geschaffen würde, da die bisherige Ausbildung an der mangelnden Verschränkung der Lernorte Schule und Praxis leidet. Allerdings ist diese Verbesserung in den vorliegenden Unterlagen nirgends sichtbar, denn nur durch eine längere – bezahlte – Anwesenheit in der Praxis wird eine fruchtbare Verknüpfung nicht geleistet. Es ist eher zu befürchten, dass die Praxis in dieser Ausbildungsform ein stärkeres normatives Gewicht im Blick auf den beruflichen Alltag bekommen wird, vor allem auch durch den Status als Beschäftige. Um die Ansprüche der pädagogischen Theorie einzubringen ist daher ein abgestimmtes Mentoren/Mentorinnenkonzept eigentlich unerlässlich (Weiterbildung der Anleiterinnen, Erhöhung der Zeit für Praxisbetreuung der LehrerInnen, Fachforen).
  3. Zeitkontingent für die AnleiterInnen
    Der Zustand, dass die Anleiterinnen bzw. Einrichtungsleiterinnen die Betreuung der Auszubildenden ohne Anrechnungszeit auf freiwilliger Basis machen, ist bisher schon problematisch. In einem Modell, bei dem die Auszubildenden von Anfang an als Arbeitskraft eingeplant sind, kommt der Ausbildung und Betreuung durch das Personal der Einrichtung ein noch größeres Gewicht zu. Wir sollten es nicht zulassen, dass die Beseitigung des Fachkräftemangels auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen ausgetragen wird. Eine weitere Belastung der Tätigkeit der Erzieherinnen verstärkt die vorhandene Unzufriedenheit und untergräbt die Attraktivität des Erzieherberufs weiter. Der Fachkräftemangel im frühkindlichen Bereich wird sich nur beseitigen lassen, wenn der Beruf im Blick auf die Arbeitsbelastung und die pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten (Umsetzung des Orientierungsplans! ) attraktiver wird.
  4. Eine volle Anrechnung der SchülerInnen als Fachkraft in der Zeit der Praxis entspricht nicht den Anforderungen an die Berufsrolle.
    Sehr unklar ist bisher, wie die Anrechnung als Fachkraft geregelt sein wird. Die Trägerverbände fordern eine 40%-Anerkennung vom ersten Tag an. Bei zwei wöchentlichen Arbeitstagen würde dies bedeuten, dass in diesen Tagen eine volle Fachkraft ersetzt werden könnte. Dies käme einer Entwertung des Berufs der Erzieherin gleich. (Die Arbeitszeit, die in den Ferienzeiten zu leisten ist, welche über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehen, kommt zwar hinzu, da die SchülerInnen aber auch andere Berufsfelder kennen lernen sollen, fallen sie für die Zeit dieser Praktika wieder für die Stammeinrichtung aus.) Die kirchlichen Schulen schlagen eine Anrechnung als Fachkraft von 0% im ersten Jahr und 20% in den beiden anderen Ausbildungsjahren vor. Deren Begründung können wir uns anschließen.

    „Eine Anrechnung der Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr als Fachkraft ist berufspolitisch der Einstieg in eine Anerkennung von ungelernten bzw. fachfremd ausgebildeten Kräften als pädagogische Fachkräfte im Kindergarten. Dies ist weder im Hinblick auf die pädagogische Qualität im Kindergarten sinnvoll noch im Hinblick auf eine notwendige und intendierte Aufwertung des Berufsbildes der Erzieherin, d.h. eine Anrechnung im ersten Ausbildungsjahr ist auch hinsichtlich der mit der Einführung der praxisintegrierten Ausbildung intendierten Zielsetzung, den Beruf attraktiver zu machen, kontraproduktiv.“
    Stellungnahme der kirchlichen Fachschulen für Sozialpädagogik in Baden-Württemberg und deren Schulträger zur praxisintegrierten („dualorientierten“) Erzieherausbildung – 13. Januar 2012 – Tischvorlage

    Dieser Vorschlag der kirchlichen Schulen ist sicher angemessener, wird aber von den Trägern wegen der Kostenbelastung wohl kaum akzeptiert werden. Im Augenblick ist nicht absehbar, welcher Schlüssel sich letztlich durchsetzen wird. Offensichtlich überlässt das Kultusministerium dies dem „Markt“.

  5. Praxiserfahrungen können sinnvoll nur im Block gemacht werden.
    Eine pädagogische Arbeit und Ausbildung an zwei Tagen in der Woche, wie es vom Kultusministerium bisher vorgeschlagen ist, widerspricht den Bildungsansprüchen des Orientierungsplans und pädagogischen Anforderungen. Bildung und Beziehung finden in Prozessen statt, nicht in abgehackten Zeitintervallen. Daher fordern wir eine Verblockung von Praxis und Unterricht. Außerdem ist es kaum vorstellbar, wie die Arbeit funktionieren soll, wenn eine als Fachkraft eingerechnete Schülerin nur zwei Tage in der Einrichtung ist. Wer soll die anderen Tage abdecken? Wie wird die zusätzliche Anwesenheit der Schülerin in der abzuarbeitenden Ferienzeit verrechnet?
  6. Für das Ziel, kurzfristig genügend Fachkräfte für die frühkindliche Bildung zu rekrutieren darf die Anstrengung für eine den hohen Anforderungen genügende Ausbildung auf europäischem Niveau nicht aufgegeben werden.
    Das Kultusministerium spricht von zwei Schulen, (Pforzheim und Ravensburg) die versuchsweise die „praxisintegrierte Ausbildung“ ab dem kommenden Schuljahr erproben sollen. Parallel dazu haben allerdings Gemeinde- und Städtetag bereits ihre Mitglieder informiert und das Konzept empfohlen. Diese sind bei den Fachschulen vorstellig geworden, so dass sich inzwischen einige Fachschulen gezwungen sahen, schnell auf den fahrenden Zug aufzuspringen und den Antrag auf Zulassung eines dualisierten Ausbildungsgangs beim Kultusministerium gestellt haben. Es bleibt das ungute Gefühl, dass sich diese Art der Ausbildung verselbständigen könnte.
    Wir wünschen uns ein klareres Verfahren, bei dem die öffentliche Fachdiskussion eine leitende Rolle spielen sollte.

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