16.05.12 Strompreise

Leserbrief von Rüdiger Höwler, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Kreis Göppingen, vom 16. Mai 2012

Unseriöse Panikmache

Wenn die IHK Baden-Württemberg bei dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute KIT) eine Studie zur Strompreisentwicklung nach dem Atomausstieg in Auftrag gibt, ist das in etwa so, als würde die Initiative „Rauchen jederzeit und überall“ bei Marlboro die gesundheitlichen Auswirkungen des Passivrauchens untersuchen lassen. Entsprechend sind auch die Ergebnisse einzuordnen. Es werden Behauptungen aufgestellt, die größtenteils undifferenziert oder zum Teil auch sachlich falsch sind. Unter undifferenziert fällt beispielsweise die Behauptung, wir hätten bereits die höchsten Strompreise Europas. Fakt ist, bei den Industriestrompreisen liegen wir im Mittelfeld. Man kann bis auf ein paar wenige Ausreißer nach oben (Zypern, Italien) und nach unten (Bulgarien, Frankreich, Finnland) eigentlich nur von marginalen Unterschieden sprechen. Die stromintensive deutsche Industrie steht wegen besonderer Vergünstigungen sogar besser da. Die Preise für Haushaltsstrom sind tatsächlich am oberen Ende der Skala, dies ist aber eher dem Mangel an echtem Wettbewerb anzulasten als der Energiewende.

Welche Kosten tatsächlich durch die Energiewende entstehen werden, hängt vor allem von deren Umsetzung ab. Dass sich die Regierungsparteien in der Vergangenheit niemals mit dem Thema ernsthaft auseinandergesetzt haben, wird jetzt nur zu deutlich. Wie in allen anderen Sachfragen gibt es auch hier nur Gezerre und Gezeter. Selbst den Ansatz eines schlüssigen Konzepts sucht man vergebens. Sicher, wenn man den Netzausbau nach Dena2 rechnet, plus Windstrom von der Nordsee nach Süddeutschland sowie Solarstrom aus der Sahara, kann man durchaus zu solchen Ergebnissen kommen. Es gibt aber bereits intelligentere und kostengünstigere Lösungen. Vor allem weil die Anlagenpreise bezogen auf die Leistung erheblich gesunken sind, ist dieses Denkmodell nicht mehr zeitgemäß. Sinnvoller ist es, den überwiegenden Teil des Bedarfs aus der Region zu decken. Versorgungssicherheit nicht durch Neubau von großen Gas- oder gar Kohlekraftwerken, sondern lieber im Zuge der energetischen Gebäudesanierung von Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Gebäuden, Gewerbe … BHKW einsetzen, die im Bedarfsfall dann auch vom Energieversorger zur Stromerzeugung eingesetzt werden können (Schwarmstrommodell). Diese zeichnen sich durch sehr hohe Wirkungsgrade aus und könnten später zunehmend mit Bio- oder Windgas betreiben werden. Das ist in Summe billiger, schneller umsetzbar, und man schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Oder etwa Biogas speichern, anstatt es permanent zu verstromen … Also, auf das WIE kommt es an.

Rüdiger Höwler
Rechberghausen

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Der Leserbrief bezieht sich auf den Artikel:

„Strom wird drastisch teurer“ von Ingo Senft-Werner (dpa), erschienen in der NWZ 15. Mai 2012…