22.04.13 Gemeinschaftsschule

Bericht zur Veranstaltung „Streitpunkt Gemeinschaftsschule – was die GMS pädagogisch tatsächlich leistet“ am 19. April 2013

Veranstaltung der Grünen zur Gemeinschaftsschule bringt Sachlichkeit in die Diskussionen

Wer die Befürchtung hegte, die Gemeinschaftsschule führe zur Verunsicherung und Belastung von Kindern und Familien begegnete bei Violetta Thiarks, Mutter eines Kindes an der Gemeinschaftsschule Döffingen, völlig andere Erfahrungen. „Das Familienleben entspannt sich, weil die Kinder um 16 Uhr ohne Hausaufgaben heimkommen und der ewige Ärger um die Schule der Vergangenheit angehört.“ Auch auf die Vereinsarbeit habe dies positive Auswirkungen. Und nicht nur die Eltern äußerten ihre große Zufriedenheit. „Mein Sohn, der in der 7. Klasse ist, bat darum, zu seiner Schwester in die 5. Klasse der Gemeinschaftsschule zurückwechseln zu dürfen, weil da alle so gerne hingehen.“ Dies berichtete die Elternvertreterin bei einer Veranstaltung der Grünen in Ebersbach über das pädagogische Konzept und den Schulalltag der dort heftig umstrittenen Gemeinschaftsschule. Neben ihr waren die beiden Lehrerinnen Annette Schumpp und Antje Kopp gekommen. Schumpp, die stellvertretende Schulleiterin ist, erläuterte, wie die Schule durch die langjährigen positiven Erfahrungen mit klassenübergreifendem Unterricht und individualisierten Lernmethoden gut auf die neue Arte des Lernen an der Gemeinschaftsschule vorbereitet war. Sie lobte das gute Klima in der Gemeinde und die volle Unterstützung durch alle Beteiligten, ohne welche die Umstellung wohl nur schwer zu realisieren sei.

Der Kern des Lernkonzeptes an der Gemeinschaftsschule sei, so die Pädagogin, dass das Lernen nicht mehr vom Klassenverband her gedacht werde, sondern von jedem einzelnen Kind aus. „Das Kind macht sich aus den Zielvorgaben und den speziell für seinen Lernstand ausgearbeiteten Hilfen der Lehrer seinen Wochenplan, wählt sich das Leistungsniveau der Aufgaben aus und beurteilt sich am Ende der Woche. Es lernt dadurch, die Zeit zu planen, sich einzuschätzen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und sein Selbstbewusstsein durch Erfolgserlebnisse zu stärken.“ Statt dass es sich, wie gemeinhin gedacht wird, mit den leichten Aufgaben bequem mache, passiere bei den Schülern genau das Gegenteil. Angespornt durch die guten Schülerinnen und Schüler in der Klasse versuchten sie sich an den „Lernjobs“ des höheren Niveaus“. Durch die individualisierte Art des Unterrichts kommen auch die guten Schüler auf ihre Kosten, indem sie mit anspruchsvollen Herausforderungen konfrontiert werden, so dass das Leistungsniveau jedem Verglich standhalte.

Antje Kopp, die sich gerne weiterhin als Lehrerin begreift und nicht nur als Coach, schilderte, wie am Ende der Woche individuelle Gespräche mit den Schülern stattfinden, in denen die Selbsteinschätzung der Schüler mit denen der Lehrer verglichen würden. Und da gehe es vor allem auch um Kompetenzen wie Lernverhalten, Respekt, Regeleinhaltung, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme. „Bei gutem Ergebnis können die Schüler dann zum Profi oder gar Champion aufsteigen, was ihnen erlaubt, auch außerhalb des Klassenzimmers oder gar des Schulgebäudes zu lernen.“ Noten wollten sie keine mehr geben, denn diese seien für das Lernen unnötig, ja sie behinderten die Entwicklung der Kinder. In Döffingen hätten sie, abweichend von den Vorgaben des Ministeriums, zum Halbjahr ein eigenes Beurteilungssystem entwickelt, welches von den Eltern aufgrund der hohen Aussagekraft sehr gelobt werde.

Dr. Dennis De, Professor an der ESB Business School  Reutlingen University, einer der renommiertesten Adressen der Wirtschaftswissenschaften und Bundestagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen, bestärkte die Lehrerinnen in ihrer Kritik an den Noten. Obwohl  seine Hochschule Bewerber mit exzellenten Noten hätte, sei diese dazu übergegangen, für die Aufnahme einen eigenen Kompetenztest zum Maßstab zu machen. „Es nützt uns nichts, wenn jemand durch blindes Büffeln eine 1 erreicht hat, aber über keine Kreativität und Selbständigkeit verfügt.“

Bei der sehr lebhaften Diskussion wurden die schlechteren Bedingungen in Ebersbach für den zügigen Aufbau einer Gemeinschafsschule beklagt. Viele Bedenken und Ängste von Eltern konnten durch die Erfahrungen aus der Praxis ausgeräumt werden. Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Jörg Matthias Fritz, stellte sich hinter den Aufbau von Gemeinschaftsschulen im Lande, trotz der knappen Kassenlage. Dass so viele Lehrerstellen abgebaut werden müssten, liege daran, dass diese durch die vorige Landeregierung aus CDU und FDP schon längst aus der langfristigen Finanzierung herausgenommen worden seien.

Gemeinderat Tobias Bollinger drückte sein Zufriedenheit darüber aus, dass es durch den anschaulichen Vortrag in Ebersbach gelungen sei, zwischen Skeptikern und Befürwortern eine konstruktive Diskussion zu führen, an die man anknüpfen wolle, und bedankte sich für die vielen engagierten Beiträge.

veröffentlicht am 22.04.2013

 

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