Stellungnahme der Geislinger Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen zum Haushaltsentwurf 2020

„So einen komischen Haushalt hatten wir noch nie“, dachte ich mir im Dezember noch. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich so einen Haushalt auch nie wieder haben möchte. Und dabei ist das ganze Theater mit Corona noch das harmloseste. Einen Haushalt, bei dem wir alles was uns lieb und wert ist und das wir in mühsamer, jahrelanger Arbeit aufgebaut haben zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen macht keinen Spaß. Es zeigt uns aber wieder einmal, dass der Gemeinderat nur bis zu einem gewissen Maß Herr des Verfahrens ist. Sehr stark sind wir den anderen Akteuren der Gesellschaft und Politik ausgeliefert. Wenn die Betriebe keine Gewinne machen oder sie verschleiern, Bundes- und Landesgesetze dieses ermöglichen, haben wir keine Einnahmen. Wenn wir dann keine Sparmaßnahmen ergreifen (wollen oder können), kommt die Kontrollinstanz der Kommunen, das Regierungspräsidium ins Spiel und entscheidet ohne Emotionen und Kenntnis der lokalen Gegebenheiten. Dieses können wir mit unseren Beschlüssen hoffentlich vermeiden.

So sehr wir in den Print- und Sozialen Medien als Versager und Nichtskönner hingestellt werden, haben wir bei unserer Konsolidierungsklausur und der Haushaltssitzung mit viel Verantwortungsbewusstsein und auch Empathie diskutiert, kalkuliert und beschlossen. Wir haben etliches in Frage gestellt und gestrichen, wir haben aber auch vieles gerettet und erhalten.

Wichtig waren uns GRÜNEN dabei die Bereiche Jugend, Kultur und Umwelt. Die Stadtbücherei und die Musikschule haben Abstriche hinnehmen müssen, können aber noch auf sinnvollem Niveau weiterarbeiten. Bei der Jugend blicken wir positiv in die Zukunft, wenn wir junge Menschen wie Chantal Schmidt vom Jugendgemeinderat sehen, die sich mit Leidenschaft, Mut und Hartnäckigkeit für ihre Zukunft in Geislingen einsetzen. Ohne ihr Engagement wäre auch der Multifunktionsplatz am Jugendhaus Tälesbahnhof in Frage gestellt worden. Dafür unser allergrößter Respekt. Solche Menschen brauchen wir. Wir brauchen die aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde.

Zur Umsetzung des Haushaltsplans und des Finanzplans bis 2023 gehören aber nicht nur die Einsparung in Höhe von ca1,4 Mio € die wir in der HH-Diskussion beschlossen haben, sondern auch pauschale Einsparungen über den gesamten Haushalt und die Erhöhung der Einnahmen. Die von uns beeinflussbaren Einnahmen sind bekannter weise hauptsächlich die Gewerbesteuer und die Grundsteuer.

Durch Corona sind auf alle Gewerbetreibenden genügend Schwierigkeiten zugekommen, so dass eine Entscheidung die Gewerbesteuer zu erhöhen sicher nicht die richtige gewesen wäre. Daher bleibt nicht viel mehr übrig als an eine Erhöhung der Grundsteuer zu denken.

Mit dem vorgeschlagen Hebesatz von 445 Punkten werden wir zwar einen Spitzenplatz bei den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg einnehmen, können damit aber halbwegs gerecht alle, Häuslesbesitzer, Mieter, wie auch Gewerbetreibende belasten. Der Besitzer einer älteren Doppelhaushälfte z.B., zahlt keine 10€ mehr pro Jahr.

Wir werden daher der vorgeschlagenen Erhöhung zustimmen.

Ein sehr schmerzlicher Punkt in der ganzen Konsolidierung war das Thema Fünftälerbad. Dieses war allen klar, wie man jetzt auch in der öffentlichen Diskussion feststellt. Ich spare mir, alle Abwägungspunkte hier zu wiederholen. Wir haben aber die Möglichkeit genutzt jährlich ca. 330.000 € einzusparen. Das ist ein echter Batzen.

Zur Erklärung der Entscheidung bemühe ich immer den Vergleich mit Essen und Spielzeug: Leider haben wir gerade wenig Geld und müssen uns entscheiden ob wir Spielzeug oder Essen kaufen. Unsere Entscheidung fiel zugunsten des Essens.

Mit der Entscheidung können Schüler Schwimmunterricht bekommen, Vereine können trainieren und wer Spaß im Wasser haben und schwimmen will kann das im Hallenbad tun. Der bei uns allen beliebte Genuss- und Erholungstag im Freibad musste leider vorerst eingestellt werden. Angesichts der Auflagen die aktuell noch wegen Corona gelten ist das dieses Jahr vielleicht noch gar nicht schlimm, aber was soll in den nächsten Jahren sein?

Mit Freude haben wir nach einer ersten Welle von Beleidigungs- und Hasskommentaren in den sozialen Medien die Bereitschaft und den Willen der Geislinger*innen festgestellt, dass fehlendes Geld möglicherweise durch ehrenamtliches Engagement ersetzt werden könnte. Das Coronajahr bietet uns auch noch die Möglichkeit Wege und Lösungen zu prüfen, was durch Förderverein, freiwillige Leistungen oder auch Einsparungen in den Leistungen gemacht werden kann. Wir bieten unsere Hilfe und Unterstützung bei jedem vernünftigen Vorschlag an, wie das Freibad auch in harten Zeiten betrieben werden kann. Dieses soll auch unser einziger Antrag und Forderung in diesem Haushalt sein, dass sich die Bäderverwaltung mit Ideen und Vorschlägen befassen muss, die hierzu kommen.

Um dieser und auch anderen Diskussionen die Schärfe zu nehmen sehen wir als Grüne das wichtige und immer wichtiger werdende Thema Transparenz. Transparenz wirkt Misstrauen entgegen und bildet Vertrauen. Denn je transparenter eine Verwaltung, eine Gemeindevertretung mit ihren Informationen umgeht, desto größer und begründeter wird das Vertrauensverhältnis. Durch eine frühe Einbeziehung der Betroffenen können Konflikte von vornherein vermieden werden. Ganz aktuell haben wir eine Welle von Wut und teilweise auch Aggression, die ich im öffentlichen Raum am eigenen Leib erfahren habe, wegen der Schließung des Freibads. Am selben Tag, an dem die mögliche Schließung im Gemeinderat beraten wurde, wurde in der Zeitung zum ersten Mal darüber berichtet. Natürlich haben Kommunalpolitiker und Kommunalverwaltungen gegenüber den Bürgern einen Informationsvorsprung. Dieser Informationsvorsprung ist teilweise unvermeidlich, gerechtfertigt und rechtmäßig. Wenn aber bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entsteht, es würden hinter verschlossenen Türen Entscheidungen vorweggenommen, ohne öffentliche Diskussion, so schädigt das das Vertrauen der Bürger in ihre gewählte Vertretung nachhaltig. Das Resultat sind Ärger, Enttäuschung und vor allen Dingen Politikverdrossenheit, was im Endeffekt zur Folge hat, dass sich die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr mit ihrer Stadt identifizieren. Dem möchten wir als Grüne entgegenwirken.

Die Corona-Krise hat uns vorgeführt, was im digitalen Zeitalter alles möglich ist: Home Office und Videokonferenzen gehören mittlerweile zur Normalität. Wir können uns gut vorstellen, dass auch eine Gemeinderatssitzung live gestreamt wird und finden es wichtig, dass es für den Fall einer zweiten Welle oder einer neuen Pandemie Möglichkeiten geschaffen werden für diejenigen Gemeinderatsmitglieder an Sitzungen teilzunehmen, die in Quarantäne sind oder zur Hochrisikogruppe gehören.

Mit der städtischen Homepage und mit der Datenbank im Bürgerinformationssystem sind wir ja schon auf einem zukunftsweisenden Weg. Durch die anstehende Umstellung von Papiervorlagen auf digitale Unterlagen und Tablets, werden der Stadtkasse künftig jedes Jahr Einsparungen im 5-stelligen Bereich beschert. Wir von den Grünen denken: wir können noch besser werden.

Kurz möchte ich auch noch auf unsere andere Problembaustelle, das Michelberggymnasium, eingehen. Nach unserem erklärten Willen im Januar, das MiGy zu erhalten, haben wir mit dem Beschluss die bisherigen Kosten als Geislingen alleine zu tragen ein wichtiges Signal an die Umlandgemeinden gegeben, dass wir mit ihnen an der Zukunft des MiGy arbeiten zu wollen. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Untersuchung durch das beauftragte Büro und hoffen auf einen Erhalt des MiGy.

Fahrradinfrastruktur

Jetzt in der Corona Krise konnte festgestellt werden, dass mehr Menschen Fahrrad fahren. Deshalb schlagen wir auch hier Strategien vor, die die Fahrradinfrastruktur verbessern und die Stadt kein Geld kosten (oder: „den Haushalt nicht weiter belasten“). Der Zeitpunkt darf nicht verpasst werden, um die kostenlose Realisierung von Fahrradabstellplätzen am Bahnhof zu beantragen (Zuschussmöglichkeiten bis Ende 2020). Die Fußgängerzone soll geöffnet werden für Radfahrten im Schritttempo. Es kann in vielen größeren Städten der Umgebung beobachtet werden (Schwäbisch Gmünd, Waiblingen, Schorndorf), dass dies in harmonischem Miteinander mit dem Fußverkehr möglich ist. So werden Menschen mit dem Fahrrad in die Stadt gebracht. Straßenspuren statt für den Autoverkehr für den Fahrradverkehr frei machen, dies transportiert mehr Menschen auf weniger Platz. Die neuen Antriebe für Fahrräder machen auch in Geislingens Topografie das Radfahren lukrativ und erfreulich.

Mehr Grün in der Stadt

Es sollten möglichst viele Grünflächen zur insektenfreundlichen Mahd ausgewiesen werden, also im Juni und im Herbst mähen mit dem Balkenmäher. Dies schafft Diversität und entlastet den Bauhof, der in der Haushaltskonsolidierung viele Abstriche hinnehmen musste. Entlang des neuen Radwegs, der so erfolgreich von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen angenommen wird, können die Randstreifen so behandelt werden. Wir wollen Eigeninitiative fördern in z. B. Reinhaltung der Stadt durch Übernahme von Müllpatenschaften, da jetzt die Wochenendreinigung nicht mehr durchgeführt wird. Wenn es irgend möglich ist, wollen wir Bauherr*innen dazu motivieren, Grün um ihr Haus zu schaffen. Vorhandene Pflanzen und Bäume müssen erhalten bleiben, sie verbessern das Mikroklima im Wohnbereich. Stein- „Gärten des Grauens“ müssen reduziert werden.

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zur Coronasituation: Lasst uns in Zeiten des Sozialen Abstands nicht vereinsamen! Es gab viele schöne Beispiele wie sich Menschen geholfen haben. Wie ausgegrenzten Menschengruppen, wie z.B. im Pflegeheim, mit Solidarität begegnet wurde. Unterstützung der Mitarbeitenden durch Brezeln, Freude ins Heim zu bringen durch selbst gemalte Bilder und viele Ideen mehr. Es ist immer wieder beeindruckend, wie engagiert unsere Gesellschaft denkt und handelt. Vielen Dank allen die sich engagiert haben.

Abschließend bedanken wir uns bei allen Mitarbeitern der Verwaltung, die viel Arbeit mit der Erstellung dieses komplizierten und aufwändigen Haushalts hatten.

Wir danken dieses Jahr noch mehr als sonst allen in unserer Stadt, die sich in irgendeiner Form für das Gemeinwohl und für andere Menschen engagieren.

Und zum allerletzten Schluss noch ein Wort der Zuversicht von Pavel Kosorin (1964):

„Es gibt für jede Situation eine gute Lösung, wenn gute Menschen mitwirken.“

Drum lasst uns gute Menschen sein.

Und wir danken Ihnen fürs Zuhören.

Für die Geislinger Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen:
Bernhard Lehle, Martina Brandl, Petra Straile und Ismail Mutlu